Museumsbrief Nr. 01, 1/1994 Fossilfundstelle "Braunkohlengrube" - Sieblos

01.01.1994
Von: Dr. Martin Wittig

Fossilfundstelle „Braunkohlen“- Grube Sieblos

Dr. Martin Wittig - 1994

 

Auf der Suche nach Kaolin (= Porzellanerde) für die Fuldaer Porzellanmanufaktur wurden am nordwestlichen Hang der Wasserkuppe in der Nähe der Ortschaft Sieblos „Braunkohlen“- Vorkommen entdeckt. Der „Braunkohlen“- Abbau, der mit Unterbrechungen bis 1919 durchgeführt wurde, erwies sich jedoch als letztlich unwirtschaftlich. Die eigentliche Bedeutung der “Braunkohlen“- Grube Sieblos erfaßte der Weyherser Apotheker E. Hassenkamp, der in den Abraumhalden Fossilien fand. Die zunächst nur sporadisch durchgeführte Fossilsuche wurde ab 1980 durch H. Schubert aus Tränkhof durch systematische Grabungen intensiv betrieben.

Die in der „Braunkohlen“- Grube Sieblos entdeckten Sedimente und Fossilien führen uns in das Tertiär, mit dem die Erdneuzeit (Kanäozoikum) vor 65 Millionen Jahren begann. Das Tertiär endete vor 1,8 Millionen Jahren. Gegen Ende diesen Zeitabschnittes hatte sich langsam die heutige Form des europäischen Kontinents herausgebildet. Zuvor war das Erdmittelalter (Mesozoikum) mit der Kreidezeit zu Ende gegangen. Am Ausgang diesen Zeitabschnittes starben zahlreiche Tierarten des Wassers und des Landes aus. Die heute bekanntesten davon betroffenen Lebewesen waren die großen Reptilien, die Saurier.


Mit dem dann folgenden Tertiär begann in der Erdneuzeit eine neue und rasche Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt. Die Säugetiere wurden immer erfolgreicher und breiteten sich aus. Gegen Ende des Tertiärs finden wir fast alle heute vorkommenden Tiere und Pflanzen.


Die Funde der Grube Messel öffnen uns das Fenster im Eozän, welches als ein Unterabschnitt des Tertiärs Einblick in die Zeit vor 49 Millionen Jahren gibt. Die „Braunkohlen“- Grube Sieblos gibt uns dagegen Aufschlüsse über das Unteroligozän als späteren Abschnitt des Tertiärs vor 35 Millionen Jahren. Neben anderen Fundstellen des Unteroligozäns hat Sieblos insofern eine hervorragende Stellung, da es die zur Zeit einzige bekannte Stelle in Deutschland ist, die die Flora und Fauna eines Süßwasserbiotops mit Verlandungszonen und Ufer- und Sumpfwald repräsentiert.

Abb 1
Vor 35 Millionen Jahren überflutete das Meer noch das ganze heutige norddeutsche Becken. Etwas südlich des heutigen Donauverlaufs dehnte sich die Tethys, ein altes Meer aus. Zeitweise waren beide Meere wahrscheinlich durch Meeresarme über die hessische Senke und eventuell über das Gebiet der heutigen niederrheinischen Tiefebene über den Oberrheingraben nach Süden miteinander verbunden. Das Gebiet der heutigen Rhön gehörte während des Tertiärs zum Festlandsbereich und lag in der Nähe dieses zeitweise verbindenden Meeresarmes. Nicht auszuschließen ist, daß dieses Areal selbst zeitweise begrenzt vom Meer überflutet gewesen ist.

Im ausgehenden Alttertiär setzte im Oberoligozän vor 25 Millionen Jahren in der heutigen Rhön und im Vogelsberg Vulkanismus ein. Die dabei ausgeworfenen Tuffe und Basalte bedeckten und konservierten teilweise die tertiären Sedimente, die sonst weitgehend von Erosion abgetragen wurden. Gegen Ende des Oberoligozäns begann sich dann vor 24 Millionen Jahren der Kontinent zunächst langsam, dann immer schneller zu heben.

Die Entstehung der Fossilfundstelle „Braukohlen“- Grube Sieblos verdanken wir entweder tektonischen Grabenbrüchen oder Auslaugung von Sulfaten aus den tiefliegenden Sedimenten des Perms aus dem Erdaltertum. Diese Auslaugungen führten zu Absenkungen der darüberliegenden Buntsandsteinschichten der Trias. Dadurch entstanden an der Erdoberfläche Hohlformen, in denen sich Seen bilden und Sedimente verfangen konnten.

Die Angaben über die tertiären Ablagerungen bei Sieblos sind zu lückenhaft, um die Form und die Größe des Sees zu rekonstruieren, in dem sich die spätere „Braunkohle“ bildete. Tertiäre Sedimente ließen sich um Sieblos in einer Nord- Süd- Ausdehnung von 1000 m, von Westen nach Osten jedoch nur über 230 m kartieren, da sie dann durch die vulkanischen Ablagerungen der Wasserkuppe überlagert werden. Die tertiären Ablagerungen werden im Norden, Westen und Süden von Mittlerem und Oberen Buntsandstein begrenzt und auch unterlagert.

Die alten Schicht- und Profilbeschreibungen aus der Zeit des Bergbaus sind nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ungenau. Ihre Interpretation erweist sich als sehr problematisch. Die alten Bergwerksanlagen, in denen die sogenannte „Braunkohle“ gefördert wurde, die ihren Ursprung im See von Sieblos hat, sind mittlerweile eingestürzt.
Die chronologische Schichtung in den Bruchstücken des heute zugänglichen Haldenmaterials kann nur unsicher in einen großen zeitlichen Zusammenhang eingeordnet werden.
In dem See, der in der Hohlform bei Sieblos entstand, finden sich Sande mit Kaolinit, Verwitterungsprodukte aus der Trias, einer Epoche des Erdmittelalters. Ferner finden sich Tonschichten, Kalke und Mergel, sowie bituminöses Gestein (Dysodil), die sogenannte „Papierkohle“. Die Analyse von verschiedenen Fossilgruppen erlaubt eine zeitliche Einordnung der Fundstelle in ein höheres unteroligozänes Alter. Die Sedimente sind also 35 Millionen Jahre alt.

Das Klima war in dieser Zeit subtropisch bis tropisch und somit deutlich wärmer als heute. Die Schichten geben Hinweise auf Regen- und Trockenzeiten.

In seinem frühen Stadium war der See sauerstoffreich, in seinem späteren sauerstoffarm. Unter Sauerstoffmangel konnte sich am Seeboden Faulschlamm bilden und absetzen. Tierkadaver und Pflanzenreste, die in den See fielen oder in ihn hineingetrieben wurden, konnten so am Seeboden nicht verwesen, da dieser Vorgang Sauerstoff vorausgesetzt hätte. Dieser Faulschlammbildung verdanken wie die hervorragende Konservierung der Fossilien. Aus diesem Faulschlamm bildete sich im Laufe der Jahrmillionen Dysodil, ein Sediment, daß nahezu vollständig aus Kohlenwasserstoffverbindungen, also organischer Substanz, und Kieselalgenskeletten besteht.

Die bituminösen Gesteine wurden als sogenannte „Papierkohle“ oder “Braunkohle“ abgebaut. Im dem Haldenabraummaterial wurden die meisten der im Sieblos-Museum ausgestellten Fossilien entdeckt.

Nachgewiesen wurden etliche Mikrofossilarten, Farne, Koniferen, Blütenpflanzen bzw. deren Pollen, eine Muschelkrebsart, Insekten, Fische, Reste von Reptilien, Vögeln, einer Fledermaus sowie eines hasengroßen Säugetiers.

Die im wenigen Schichten nachgewiesenen Meeresmikroorganismen könnten ein Hinweis darauf ein, daß das Meer zeitweise den Raum von Sieblos erreicht hat. Sie Struktur der Sedimente deutet auf strömungsarme Flachwassergebiete hin, wobei dies nicht repräsentativ für den ganzen See sein muß, dessen Ausmaße nach wie vor unbekannt sind.

Abb 2
Abb.1: Zeitskala des Tertiärs

 

M1 01
Abb. 2: Zeitskala der Erdgeschichte

 


Literatur:

K.- H. Ehrenberg et al.: (1992) Neue Ergebnisse zum tertiären Vulkanismus der Rhön (Wasserkuppenrhön und Kuppenrhön),  Beih. z. Eur. J. Mineral. Vol. 4 1992 No. 2, S. 47 – 100, Stuttgart 1992
E. Martini und P. Rothe et al.: (1988) Beiträge zur Naturkunde in Osthessen, Heft 24, Verlag Parzeller & Co., Fulda
Messel – Ein Schaufenster in die Geschichte der Erde und des Lebens, 1988, Verlag Kramer


 Verfasser: Dr. Martin Wittig, Sieblos- Museum Poppenhausen


 Copyright: Sieblos- Museum Poppenhausen