Museumsbrief Nr. 24, 1/2016 - "Sand"

17.01.2016
Von: Prof. Dr. Peter Rothe

Sand

Prof. Dr. Peter Rothe - 2016

Der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler hat Sand zum Gestein des Jahres 2016 gewählt, Grund genug, dieses Gestein auch zum Gegenstand eines unserer Museumsbriefe zu machen.                                

Sand ist zunächst einmal durch die Größe der Körner definiert, die von 2 mm bis herunter zu 0,063 mm reicht.

Abb. 1 Korngrößentabelle
Abb.1: Korngrößentabelle klastischer Sedimente (aus Rothe 2010)

 

Der meiste Sand besteht mineralogisch aus Quarzkörnern, die übrig bleiben, wenn Quarz enthaltende Gesteine verwittern, also z. B. Granit, für den ja der Merkspruch gilt: „Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess‘ ich nimmer“. Feldspat ist etwas weniger hart als Quarz, das definiert auch die nach ihrem Erfinder MOHS benannte Skala, in der Quarz die Härte 7 hat, Feldspat aber nur 6. Feldspat ist nicht nur mechanisch weicher, sondern kann auch durch chemische Verwitterung zerstört werden, und Glimmer (es gibt helle und dunkle) sind auch nicht so stabil wie Quarz. 1938 hatte der Amerikaner Samuel GOLDICH eine Regel aufgestellt, die einige wichtige gesteinsbildende Minerale nach ihrer Verwitterungsbeständigkeit ordnet: und die endet mit dem Quarz als dem stabilsten. Einfach ausgedrückt heißt das, dass das bei der Verwitterung von entsprechenden Gesteinen übrig bleibende Mineral praktisch immer Quarz (SiO2) ist.

Abb. 2 Verwitterungsbeständigkeit

Abb.2: Relative Verwitterungsbeständigkeit der wichtigsten gesteinsbildenden Minerale (Goldich 1938).
So erklärt sich die Bildung von Quarzsanden, die ihren Ursprung in der Verwitterung von Granit und anderen Quarz führenden Magmatiten und Metamorphiten haben (aus Rothe 2010).

 

Quarzsand 

Von einem im Schwarzwald verwitternden Granit können so Quarze den Rhein hinab bis in die Nordsee gelangen. Im Granit selbst sind das noch mehr oder weniger eckige Kristalle, die allerdings in den seltensten Fällen eigengestaltig (idiomorph in der Fachsprache) sind, weil sie in magmatischen Gesteinen meist zuletzt auskristallisieren: dann ist da kein Platz mehr für die schönen Bergkristalle mit ihren Prismen- und Pyramidenflächen (die ja auch Quarz sind).

Abb. 3

Abb.3: Pegmatitischer (grobkristalliner) Granit. Feldspat (rötlich), Quarz (grau),
Glimmer (schwarz) (aus Rothe 2010).
 

 

Auf ihrem Transportweg im Fluss werden sie zunehmend verrundet, weil sie sich gegenseitig abschleifen: im Idealfall werden aus den eckigen Kristallen dann runde Körner.

 Abb. 4
 

Abb.4: Rundungsgrade. Eckige Gesteinsbruchstücke und Minerale werden durch den Transport zunehmend gerundet.
Aus „Kristallen“ werden „Körner“, die aber im mineralogischen Sinne kristalline Materie bleiben (aus Rothe 2010).
 

 

Obwohl wir da von Körnern reden, bleiben die Quarze letztendlich noch immer kristalline Materie, wie man u. a. mit dem Polarisations-Mikroskop feststellen kann. Sande können aber im Rahmen der o. a. gegebenen Korngrößen aus unterschiedlich großen Körnern bestehen. Je weiter sie transportiert oder etwa an einer Brandungsküste aufgearbeitet werden, desto gleichkörniger wird ein Sand, bis im Idealfall alle Körner die gleiche Größe erreicht haben. Die Petrographie spricht von Sortierung, hier also von einer besonders guten Sortierung.

Abb. 5

Abb.5: Sehr gut sortierter und gerundeter, meist lockerer Sand des St. Peter Sandsteins / Ordovizium, USA. (aus Pettijohn et al.1973). 

 

So etwas lässt sich in Korngrößenverteilungskurven bzw. Histogrammen darstellen: Sehr gut sortierter Sand zeigt eine enge Kurve, schlecht sortierter eine breite. Sande, die auf Brandungsplattformen gebildet werden, sind oft extrem gut sortiert; das lässt sich auch als Indiz für die Rekonstruktion entsprechender  fossiler Ablagerungsräume verwenden.

Mit dem beispielhaft skizzierten Flusstransport nimmt also flussabwärts der Sortierungsgrad zu, gleichzeitig nimmt auch die mittlere Korngröße ab, weil sich die Partikel gegenseitig abschmirgeln; das lässt sich allerdings meist nur an besonders großen Flüssen wie dem Mississippi verfolgen.

Abb. 6
Abb.6:

Darstellung von Korngrößenfraktionen: unten Histogramm, oben die aus der Summenkurve abgeleitete Häufigkeitskurve (aus Rothe 2010).

 

Abb. 7
Abb7: Sedimentfracht des Mississippi: Mit zunehmendem Transportweg werden die Komponenten kleiner (aus Rothe 2010).

 

Ein weiteres Milieu für gut sortierte Sande sind Dünen: hier steuert die Windgeschwindigkeit den Körnertransport, und auf den Oberflächen bilden sich oftmals schöne Rippelmarken. Dünensande sind oft durch relativ kleine Sand-Korngrößen gekennzeichnet. Die Dünen in Wüstengebieten sehen vielfach rötlich aus, weil die grauen Quarzkörner dort mit einer hauchdünnen Hämatithülle (Fe2O3) umgeben sind. 

Abb. 8
Abb.8: Rote Quarzsanddünen, Marokkanische Sahara (Wikipedia). 

 

Karbonatsande 

Sande bestehen mineralogisch nicht immer aus Quarzkörnern, aber die für Quarzsande skizzierten Gesetze gelten auch für Sande, die aus anderen Komponenten zusammengesetzt sind. Wir kennen z. B. Karbonatsande, deren Körner aus den beim Transport oder in der Brandung zermahlenen Schalen kalkiger Organismen bestehen; das können Muschel- oder Schneckenschalen, Algen oder Korallenskelette aus Calcit und/oder Aragonit sein. Oder gleich ganze Gehäuse von Foraminiferen, Ostrakoden (Muschelkrebse), deren Korngrößen oft schon im Sandbereich liegen.

Abb. 9
Abb.9: Foraminiferensand, Tiefsee (3350 m), Kapverden (aus Rothe 1971). 

 

Manche Reiseführer auf den Kanarischen Inseln erzählen den Touristen dort, dass der helle Sand auf Fuerteventura oder im Süden Gran Canarias aus der Sahara herüber geweht sei, womit er ja Quarzsand sein müsste. Mit einem Tropfen Salzsäure lässt sich aber zeigen, dass das Karbonatsand ist; dessen Ursprung sind die Flachwasserbereiche der Inselschelfe. Bei Maspalomas ist er sogar zu meterhohen Dünen aufgeweht.

Abb. 10
Abb.10: Karbonatsand-Dünen aus Bestandteilen von Flachwasser-Organismen, Maspalomas, Gran Canaria (aus Rothe 2008).

 

Einen Sonderstatus unter den Karbonatsanden haben Ooidsande; bei denen ist der Kalk nicht biologischen Ursprungs, sondern chemisch aus dem Meerwasser ausgefällt worden. Die meisten Körner dieser als Ooide bezeichneten Partikel erreichen dabei Sandkorngröße. Die klassische Region, in der man ihre Entstehung direkt beobachten kann, sind die Bahamas. Dort quillt Ca-reiches kaltes Tiefenwasser auf und gerät auf der Plattform in bis zu etwa 2 m tiefes turbulentes warmes Flachwasser, wo unter dem Einfluss von CO2 Kalk (CaCO3, hier in Form von Aragonit) ausgefällt wird.

Abb. 11   Abb. 12
Abb 11 und 12:Aus Ooiden durch Calcitzement verfestigte Oolithe (aus Rothe 2010). 


Das geschieht um kleinste Partikel herum, die Bruchstücke von Ooiden oder Organismen sein können, die als Kristallisationskeime wirken. Der Kalk setzt sich in Form Submillimeter dünner Schichten konzentrisch-schalig darum ab. Die dabei entstehenden Körner sind meist kugelrund. Das bewegte Flachwasser hält sie so lange in der Schwebe, bis sie für die hydrodynamischen Bedingungen zu schwer geworden sind, absinken und dann Teil des Sediments werden. Die gleichmäßig starke Wasserbewegung führt dazu, dass sie beinahe alle die gleiche Korngröße erreichen. Ooidsande sind dadurch extrem gut sortiert. Als Gesteine (Oolithe) sind sie in geologischen Schichten immer Anzeiger für warmes, sehr flaches und stark bewegtes Wasser. Wie Quarzsande in der Wüste können Ooidsande durch Strömungen sogar zu Unterwasserdünen zusammengeschwemmt werden.

 Abb. 13
Abb.13: Unterwasserdünen der Bahama-Bank, deren „Sand“ aus kalkigen Ooidkörnern besteht. Die Dünen erstrecken sich über 1 km Länge, haben Wellenlängen von 50-100 m und Höhen bis zu 3 m (aus Rothe 2015).

 

Schwermineralsande 

Außer Karbonatsanden gibt es eine ganze Reihe weiterer spezifischer Sande, die aus ganz unterschiedlichen Mineralen zusammengesetzt sein können: schwarzer Sand, z. B. an den Stränden von Hawaii, besteht oft aus zermahlenem Basalt, die meisten sind aber aus spezifisch besonders schweren und/oder schwer zerstörbaren Mineralen zusammengesetzt und heißen deshalb pauschal Schwermineralsande; deren Anreicherung hat mit der Tatsache zu tun, dass für ihren Transport höhere Energie nötig ist, sodass sie sich schon bei geringfügig nachlassender Strömung absetzen, was man manchmal auch  in den Tälern von Rippelmarken beobachten kann. Solche allgemein als Seifen bezeichneten Sedimente sind mechanische Konzentrate besonders stabiler Minerale von hohem spezifischem Gewicht. Die Natur hat hier Minerale aus den Festgesteinen herausgearbeitet, die Fließgewässer dann transportiert und bei nachlassender Strömung abgesetzt hatten: ein Aufbereitungsprozess, den die Natur den Technikern vorgemacht hat.

Dazu gehört u. a. Magnetitsand, dessen Komponenten aus der Verwitterung basischer Gesteine stammen. Prominent ist Monazitsand, eine wichtige Quelle für die Seltenen Erden, der wegen seines besonders hohen spezifischen Gewichts früher als Ballast im Kiel von Segelschiffen verwendet wurde. Außerdem gibt es Olivin-, Rutil-, Ilmenit-, Granat- oder Zirkon-führende Seifen und die wirtschaftlich wichtigen Zinnsteinseifen, Goldseifen und sogar Platinseifen. Zinnstein (Kassiterit, SnO2), der ähnlich wie Quarz aus bestimmten Graniten herauswittern kann, wird z. B. bei den indonesischen Zinn-Inseln Bangka und Billiton aus küstennahem Sand mit Schwimmbaggern gefördert. Und es waren zuerst Goldseifen, die den Goldrausch in Kalifornien im 19. Jahrhundert eingeleitet hatten, ehe man flussaufwärts das Berggold fand. Vor der Küste Namibias gibt es sogar Diamantseifen, deren Ursprungsgesteine natürlich im Hinterland liegen.

Sogar Gips kann zu Sandkörnern werden, wie die Dünen der „White Sands“ in New Mexico beweisen; dazu sind neben entsprechenden Windverhältnissen allerdings aride Klimabedingungen erforderlich.

Schließlich noch einmal biogene Sandkörner: auch die aus Opal (amorphe SiO2) bestehenden Radiolarien können Tiefseesanden beigemischt sein oder reine Radiolariensande bilden, bei deren diagenetischer Umwandlung in Quarz Gesteine entstehen, die man dann leicht mit Quarziten verwechseln kann..

Sand in Sieblos? 

Die Frage ist berechtigt, denn die Lagerstätte kennzeichnen eigentlich die bituminösen „Ölschiefer“, Mergel und Kalke. Aber in den alten Steigerberichten ist gelegentlich auch von „Schwimmsand“ die Rede. In unseren Bohrkernen war lockerer Sand eher nachrangig, aber bei dem von den Bergleuten erwähnten Sand handelt es sich zweifellos um größere Mengen von Quarzsand. Da wir es hier mit einem stehenden Gewässer zu tun haben, kann man Strömungen ausschließen, die Körner transportiert und verrundet hätten, sie müssen also schon als runde Partikel existiert haben, ehe sie Bestandteil der Sedimente im Sieblos-See wurden. Einen Schlüssel zu ihrer Herkunft bietet die „kaolinige Verwitterungsrinde“, die entstand, als mit Beginn der Kreidezeit die in der Rhön anstehenden mesozoischen Gesteine unter subtropischem Klima  verwittert wurden. Die wahrscheinlichste Quelle für die Quarzkörner  ist daher der davon betroffene Buntsandstein.

Man kann hier mit einer Parallele zu den Kaolin-Lagerstätten der Oberpfalz argumentieren, wo die Tone aus der Verwitterung Feldspat haltiger Sandsteine des Buntsandsteins entstanden waren. Bei deren Gewinnung fallen Quarzkörner in beträchtlicher Menge an, die dort seit vielen Jahren zum „Monte Kaolino“ aufgeschüttet werden.

Sand kann zu Sandstein verfestigt werden, offensichtlich kann Sandstein aber auch wieder zu Sand zerfallen.


Literatur:

Pettijohn, F. J., Potter, P. E., Siever, R. (1973): Sand and Sandstone. Springer-Verlag, 618 S., New York, Heidelberg, Berlin.

Rothe, P. (1971): Sedimentpetrographische und geochemische Untersuchungen an Tiefsee-Sedimenten aus der Umgebung der Kanarischen und Kapverdischen Inseln. Ein Beitrag zur Sedimentbildung im Bereich vulkanischer Archipele. Habilitationsschrift Fakultät für Geowissenschaften, Univ. Heidelberg.

Rothe, P. (2008): Kanarische Inseln. Sammlung Geologischer Führer, Bd. 81, 3. Aufl., Borntraeger, 338 S., (Berlin), Stuttgart.

Rothe, P. (2010): Gesteine. Entstehung-Zerstörung-Umbildung. Wissenschaftl. Buchgesellsch. und Primusverlag, 192 S., Darmstadt.

Rothe, P. (2015): Die Erde. Theiss-Verlag, 224 S., Darmstadt.


Verfasser: Prof. Dr. Peter Rothe, c/o Reiss-Engelhorn-Museen, D5 Museum Weltkulturen, 68159 Mannheim


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